Ohrenschmaus im Advent - Gesellschaft der Musikfreunde präsentiert Bachs Weihnachtsoratorium in besonderer Interpretation

Bad Soden - Wunderbar vertraut sind die Klänge des Weihnachtsoratoriums. Für Klassikliebhaber gehören sie zum Fest wie Plätzchen, Weihnachtsbaum und Lichterschmuck. Und so hatten sich am Sonntag viele auf den Weg gemacht, um der Aufführung desselben im Bad Sodener H+-Hotel zu lauschen. Eingeladen hatte die Gesellschaft der Musikfreunde Bad Soden, bestehend aus Orchester und Chor. Dazu gebucht hatten die Laienmusiker unter anderem vier Gesangssolisten, die in großen Konzerthäusern zu Hause sind und neben Bläsern erstmalig auch historische Instrumente wie Cembalo und Orgel.

Ein echter Ohrenschmaus. Anders allerdings, als es die Hörer gewohnt sind. Er habe am von Johann Sebastian Bach komponierten Original nämlich ein paar Änderungen vorgenommen, sagt der frische berufene künstlerische Leiter der Musikfreunde, Alexander Ebert. Alternative Konzertformate sind ein Steckenpferd des jungen, bestens ausgebildeten Dirigenten.

Bach, erklärt er auf der Bühne, habe das Oratorium 1734 aus sechs bereits vorhandenen Einzelstücken kreiert. Das finale Werk sei dann aber nicht in einem Stück aufgeführt werden sollen, sondern in drei Teilen an den drei damals üblichen Weihnachtstagen. Daher gebe es zwischendurch auch Eingang- und Schlussmusiken, die den Erzählstrang der zugrunde liegenden Weihnachtsgeschichte unterbrechen. Hier hat Ebert angesetzt und die einzelnen Teile so umgestellt, dass die Chronologie der Weihnachtsgeschichte aus dem biblischen Lukas-Evangelium wiederhergestellt ist.

Musikalische Details und Denkanstöße

Beispielhaft führt der Dirigent danach vor, was das Publikum in den nächsten eineinhalb Stunden erwartet und lässt Sänger und Instrumentalisten einzelne Stellen kurz „anteasern“, ein interessanter Einstieg in den musikalischen Abend. Der Chor stehe bei Bach stellvertretend für die Gottesdienstbesucher, im Grund für alle Menschen, erzählt Alexander Ebert. In einer Streichersequenz sei das piksende Stroh des Stalls zu erkennen, die drei Kreuze der Tonart Fis- Moll in einer anderen Melodie symbolisierten wiederum den Grabhügel. So reiche die Botschaft des Oratoriums bis in die Passionszeit hinein.

Passion werde aber verknüpft mit dem bedeutsamen Aufruf: „Seid froh dieweil!“. So singt es der Chor. „Man kann auch im Fis-Moll“ froh sein, sagt Ebert, der dem Publikum neben musikalischen Details damit auch Denkanstöße mit auf den Weg gibt. Was geschehen ist, zu reflektieren und neue Handlungsmöglichkeiten zu gewinnen, das sei die Kraft der Maria in der Geschichte, interpretiert er die vertonten Bibelworte, die besagten, dass die Mutter Jesu die von den Hirten vernommenen Worte in ihrem Herzen bewegt. Dann geht es los mit dem eigentlichen Konzert, zunächst mit der Arie aus Bachs Kirchenkantate BMV 151. „Süßer Trost, mein Jesus kommt“, singt Sopranistin Paula Kranjc zu den zarten Klängen von Streichern, Flöte und Cembalo, gefolgt vom satten Tenor Theodore Browns, der die bekannten Worte rezitiert: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augusto ausging.“

In einem schönen Fluss wechseln sich Arie, Rezitativ und Choräle, Soloauftritte und Chorgesänge mit vertrauten Weihnachtsliedern, darunter „Wie soll ich dich empfangen“ oder „Brich an, o schönes Morgenlicht“. Die eigene Interpretation des jungen Dirigenten wäre nur dem Kenner aufgefallen. Applaus ist dem begabten in Weimar geborenen Musiker sicher und auch den anderen Akteuren auf der Bühne, ob Laienmusiker der Gesellschaft der Musikfreunde oder Profi.


Quellenangabe: Höchster Kreisblatt vom 19.12.2023